Natascha Bos: 'Gestörter pH-Wert bei Pferden oft nicht erkannt'
Der pH-Wert, davon haben wir alle schon einmal gehört. Irgendwas mit Chemie und so einem Papier, das sich verfärbt, oder? Was viele nicht wissen, ist dass der pH-Wert, also der Säuregrad, eine sehr wichtige Rolle für die Gesundheit unserer Pferde spielt. Eine Störung des pH-Werts führt nämlich zu verschiedenen Beschwerden. Natascha Bos von Blauwe Hengst erzählt über den Einfluss von Säuren und Basen im Pferdekörper, wie man Übersäuerung erkennen kann und wie man sie verhindert.
Gastbeitrag
Organe
Verdauung
Ernährung
31 August '21 • 10 Min Lesezeit
Hier ist die Übersetzung ins Deutsche in der du-Form:
Was ist der pH-Wert und wie funktioniert er in der Pferdefütterung?
Der pH-Wert ist ein Maß für die Säure, also die Säure oder Alkalität eines Stoffes. Du hast wahrscheinlich schon in der Schule einmal den pH-Wert einer Flüssigkeit mit Lackmuspapier gemessen. Dieses Papier verfärbt sich je nach pH-Wert. Ein niedriger pH-Wert bedeutet sauer, wie zum Beispiel Essig. Ein hoher pH-Wert wird basisch genannt. Der pH-Wert kann von 0 bis 14 variieren. Ein pH-Wert von etwa 7 gilt als neutral. In der Ernährung, sowohl für Menschen als auch für Pferde, sprechen wir von sauren und basischen Lebensmitteln. Natascha erklärt: "Menschen essen von Natur aus sowohl saure als auch basische Dinge. Tierische Produkte und Getreide sind zum Beispiel sauer, Blattgemüse und Obst sind basisch. Dabei schaut man nicht auf den pH-Wert der Nahrung selbst, sondern auf den PRAL-Wert. Dies ist der versauernde Effekt im Körper. Eine Banane hat zum Beispiel einen pH-Wert von 4,85, was sauer ist, aber einen PRAL-Wert von -7,8, was bedeutet, dass sie im Körper eine stark neutralisierende Wirkung hat. Je negativer der PRAL-Wert ist, desto basischer ist der Effekt im Körper. Ein Pferd frisst von Natur aus eigentlich nur basische Lebensmittel wie Gras, Stängel, Blätter, Zweige und andere Pflanzen. Außerdem erhalten Wildpferde auch sehr viele Mineralien, die ebenfalls basisch sind."
Was ist die Funktion des pH-Wertes bei Pferden?
Natascha erklärt, warum der pH-Wert eine wichtige Rolle bei Pferden spielt: "Alle Organe sind von der Säure betroffen. Im Pferdekörper finden viele biochemische Prozesse statt. Es gibt viele Umwandlungen. Dein Pferd frisst Fasern und daraus müssen alle notwendigen Dinge hergestellt werden: Enzyme, Hormone, rote Blutkörperchen ... Das passiert in den biochemischen Prozessen in den Zellen. Und diese Zellaktivität kann nur gut funktionieren, wenn der pH-Wert in und um die Zellen herum optimal ist. Wie hoch das ist, variiert ein wenig je nach Organ. Der Magen muss zum Beispiel sauer sein, um Nahrung zu zerlegen und Krankheitserreger zu töten. Aber im Darm sollte es weniger sauer sein, für eine gute weitere Verdauung. Und der optimale pH-Wert der Haut ist auch wieder anders. Zellen können nur optimal funktionieren, wenn die Säure für diese spezifischen Zellen auch optimal ist."
Wie funktioniert das Säure-Basen-Gleichgewicht?
Das Säure-Basen-Gleichgewicht im Blut ist von großer Bedeutung. Säuren haben einen niedrigen pH-Wert und basische Stoffe haben einen hohen pH-Wert. Das Gleichgewicht zwischen ihnen ist sehr empfindlich. Wenn die Säure steigt, sinkt der pH-Wert und es entsteht eine Azidose. Dies kann zu verschiedenen Krankheiten und Beschwerden führen. Wenn das Blut zu sauer wird, wird der Körper alles tun, um basische Stoffe hinzuzufügen. Die Nieren spielen dabei eine wichtige Rolle. Diese basischen Stoffe stammen zum Beispiel aus den Knochen; Magnesium, Kalzium und Kalium sind basisch. Aber der Körper kann auch basische Stoffe aus den Muskeln freisetzen, das Aminosäure L-Glutamin ist das wichtigste Beispiel. Es ist natürlich gut, dass der Pferdekörper selbst verhindert, dass das Blut zu stark versauert. Aber wenn er das ständig tun muss, können Knochen, Muskeln und andere Gewebe, die Mineralien und Aminosäuren abgeben müssen, negative Folgen haben. Azidose sollte also möglichst vermieden werden!
Der pH-Wert des Blutes ist entscheidend
"Der kritischste pH-Wert in einem Körper ist der des Blutes", erklärt Natascha weiter. "Bei Pferden liegt der ideale pH-Wert zwischen 7,34 und 7,48, das ist ein sehr schmaler Bereich. Dein Körper tut alles, um diesen Blutwert optimal zu halten. Wenn das schwierig wird, kann das auf Kosten anderer Systeme und Organe gehen. Wenn das Blut zu sauer wird, wird der Körper durch Nutzung der sogenannten 'basischen Reserven' korrigieren. Wenn keine oder zu wenig basische Stoffe über die Nahrung aufgenommen werden, wird der Körper Calcium, Magnesium und andere Mineralien aus den Knochenstrukturen holen und Glutamin aus den Muskeln. Auf diese Weise entstehen schwächere Knochen, Gelenke, Bänder, Sehnen und Organe. Ein Pferd ist nicht dafür gemacht, diesen pH-Wert ständig zu korrigieren."
Wie und warum übersäuert ein Pferd?
Aber warum kommt es bei Pferden zu einer Azidose? Es gibt mehrere Ursachen, erklärt Natascha. "Getreide im Pferdefutter wirkt sehr azidifizierend und raubt zudem Mineralien. Diese Kombination führt dazu, dass Pferde ständig korrigieren müssen und viele basische Reserven beanspruchen. Auch Raufutter aus Plastik, zum Beispiel Silage, hat einen negativen Einfluss. Melasse und Zucker im Kraftfutter führen ebenfalls zu einem zu niedrigen pH-Wert. Aber es gibt auch andere Ursachen neben der Ernährung. Sehr intensive Bewegung zum Beispiel. Viel oder hartes Training übersäuert, es wird dann viel Milchsäure in den Muskeln gebildet, die alle wieder abgeführt werden muss. Auch langanhaltender, chronischer Stress verursacht Übersäuerung. Ich spreche hier nicht von einem Schrecken vor einem Vogel oder einer Plastiktüte, sondern von Pferden, die nicht gut gemanagt werden", erklärt Natascha. "Zum Beispiel weil sie zu lange in der Box stehen oder keinen sozialen Kontakt zu anderen Pferden haben. Das Pferd bleibt dann ständig 'an', im Kampf- oder Fluchtmodus. Die Zellverbrennung ändert sich dann, ähnlich wie bei langem Training wird die anaerobe Verbrennung aktiviert. Diese verursacht viel mehr Übersäuerung und liefert auch viel weniger Energie. Pferde essen dann buchstäblich ihre Muskeln auf. Auch Aminosäuren aus dem Futter werden nicht mehr für den Muskelaufbau genutzt.
Häufige Übersäuerung bei Pferden
"Was man am häufigsten sieht, ist eine Kombination aus verschiedenen Faktoren wie ungeschicktem Training, unpassender Ernährung und chronischem Stress", sagt Natascha. "Viele Pferde leiden unter Übersäuerung, und bei den meisten ist es eine Summe dieser Faktoren. Es ist auch ziemlich schwer zu erkennen, wenn man damit nicht vertraut ist. Natürlich kann der pH-Wert im Blut von deinem Tierarzt gemessen werden, aber wenn der Blutwert gestört ist, ist es schon sehr fortgeschritten. Denn der Körper tut alles, um diesen Wert stabil zu halten. Daher kann die Knochendichte abnehmen, weil viele Mineralien entnommen werden, um Übersäuerung zu bekämpfen, ohne dass dies im Blut sichtbar ist. Übersäuerung zeigt sich eigentlich durch eine ganze Reihe vager Symptome. Oft ist es eine Kombination. Zum Beispiel schnelles Übersäuern beim Training oder langsames Erholen nach dem Reiten. Auch ein saurer Geruch von Kot oder Urin kann ein Hinweis sein. Mit Lackmus-Papier kannst du zum Beispiel den Säuregehalt der Haut und des Kots messen. Aber das Messen ist nicht das, was dich wachsam macht, es ist wirklich ein allgemeines Bild mehrerer Dinge. Ein Pferd mit guter Enzymaktivität kann zum Beispiel sehr schnell verschiedene Substanzen umwandeln. Wenn das Pferd übersäuert ist, verläuft die Enzymaktivität und damit alle Körperprozesse viel langsamer. Das äußert sich dann in vielen kleinen Dingen, die man an seinem Pferd sehen, fühlen oder bemerken kann. Zum Beispiel eine langsame Heilung kleiner Wunden. Auch der Transport in und aus der Zelle funktioniert weniger gut, wenn der pH-Wert nicht optimal ist. Das bedeutet, dass Abfallstoffe nicht mehr gut aus den Zellen entfernt werden können. Es kommt zu einer Ansammlung von Abfallstoffen in und um die Zellen herum. Die Zellaktivität nimmt ab. Dadurch beschleunigt sich die Übersäuerung immer weiter. Probleme mit Muskeln, Gelenken und Sehnen sind Anzeichen dafür, dass man sich den pH-Wert genauer anschauen sollte. Übersäuerung kann eine Rolle bei der Entstehung von Verletzungen spielen.
Häufig sind Verletzungen eine Kombination mehrerer Faktoren, bei denen Übersäuerung zwar eine Rolle spielt, aber nicht benannt wird. Anfälligkeit für Verletzungen, niedrige Energie, gestörte Darmflora oder eine geringe Immunabwehr sind Gründe, hier genauer hinzuschauen. Auch Muskelverspannungen (Montagskrankheit), Steifheit beim Bewegen und eine schlechte Ausdauer können Anzeichen für Übersäuerung sein."
Vermeidung von Übersäuerung bei deinem Pferd
Obwohl es schwierig ist genau anzugeben, wann ein Pferd wirklich übersäuert ist, hat Natascha einen Rat, wie man diese unerwünschte Situation bei deinem Pferd verhindern kann. "Die Frage ist nicht so sehr, 'wann sollte man eingreifen?' Es geht darum, dass alle Organsysteme so reibungslos wie möglich funktionieren. Das ganze Pferd profitiert davon. Deshalb ist es für mich grundlegend wichtig, dass dein Pferd nicht übersäuert. Das schafft die Voraussetzung für den Rest seiner Gesundheit und Funktionsfähigkeit. Achte darauf, dass der pH-Wert stimmt, denn für die präventive Gesundheitsfürsorge ist das Säure-Basen-Gleichgewicht sehr wichtig. Doch in der Ernährung und im Management wird diesem oft wenig Aufmerksamkeit geschenkt, nur wenn etwas schief geht.
Aber Aufmerksamkeit für Übersäuerung bedeutet nicht, dass du dein Pferd nicht trainieren kannst, im Wilden rennen sie auch mal eine Strecke und übersäuern dabei auch ein bisschen. Bei deinem Training ist es jedoch wichtig, regelmäßig Pausen einzulegen. So verhinderst du, dass dein Pferd übersäuert. Gehe auf jeden Fall nicht weiter mit dem Training, wenn das Pferd wirklich übersäuert ist! Du kannst zum Beispiel nur kurz in einer Haltung reiten. Wenn ein Pferd dort zu lange bleiben muss, greift es zu schnell auf basische Vorräte und vor allem Eiweiße zurück. Das führt zu einem Rückgang der Muskelmasse, was du gerade nicht willst. Muskeln entstehen durch gute Ernährung und sinnvolles Training. Durch ungeschicktes Training baut man sie jedoch ab und das Pferd übersäuert schneller. Kluge Ernährung, kluges Training und kluges Management also. Und vor allem: Nicht warten, bis Beschwerden auftreten. Durch die kontinuierliche Stabilisierung des pH-Werts gibt es noch viel zu gewinnen", sagt Natascha.
Abschließend: Vermeide Übersäuerung bei deinem Pferd
Übersäuerung bei Pferden tritt also häufig auf und ist oft eine Summe aus ungeschickter Fütterung, ungeschicktem Training und/oder chronischem Stress. Übersäuerung entsteht durch übermäßigen Verlust basischer Stoffe. Oft ist die Ursache zu viel "saure" Nahrung wie Getreide, Zucker, Melasse und Heulage. Manchmal liegt die Ursache in zu geringer Zufuhr von Mineralien oder bei Durchfall oder Nierenproblemen. Auch intensives Training ohne Pausen zur Abfuhr von Milchsäure kann Übersäuerung begünstigen. Wenn das Training zu weit geht oder die Erholungszeit unzureichend ist, können sich Säuren anreichern. Pferde mit gestörtem Zuckerstoffwechsel oder Insulinresistenz übersäuern oft schneller.
Ein häufiger Fehler ist das Entsäuern des Magens mit Medikamenten. Der Magen muss sauer sein, sonst entstehen Probleme im Dünndarm. Ein richtiger pH-Wert im Magen sorgt dafür, dass viele Krankheitserreger dort sterben, und das ist auch notwendig. Andernfalls verursachen sie Probleme im Darm. Übersäuerung muss durch die Nieren kompensiert werden, die dafür basische Körpervorräte mobilisieren. Dies kann zu Problemen im Skelett und den Muskeln führen, da Mineralien und Aminosäuren entnommen werden, um die Übersäuerung zu bekämpfen. Dies führt zu Mangelerscheinungen, Entmineralisierung, verminderter Enzymaktivität, geringerer Energieproduktion und letztlich zu einer verminderten Gesundheit und Trainierbarkeit.
Tipps von Natascha gegen Übersäuerung bei deinem Pferd
- Verwende keine "Schnell-Lösungen", sondern betrachte die Grundlagen: Ernährung, Management, Training.
- Gib Brennnesseln (getrocknet oder als Extrakt): Sie sind sehr basisch, entsäuern und enthalten viele Mineralien.
- Verwende ein komplettes Ergänzungsmittel mit Mineralien und Spurenelementen, z. B. Mineralien aus der Beringsee.
- Füttere vor allem basisch mit unverpacktem Heu als Grundlage und besser kein Getreide.
- Sorge für gutes Management: Viel Bewegungsfreiheit und sozialer Kontakt für dein Pferd.
- Trainiere sinnvoll: Fordere Anspannung und gib rechtzeitig Entspannung, damit sich dein Pferd wirklich erholen kann. Die Verwendung eines Herzfrequenzmessgeräts kann dabei helfen.
Natascha Bos ist die Begründerin der manuellen Lymphdrainage bei Pferden in den Niederlanden. Sie arbeitet selbst als Therapeutin und bildet andere über ihr Unternehmen Blauwe Hengst aus.