Femke Dölle: "Natürliche Unterbringung ist gesund und kann auch auf einem kleineren Stück Land erfolgen"

Femke Dölle ist ganzheitliche Trainerin und Wohlfahrtsberaterin für Pferde. Sie entwirft Browsing Paddocks®, eine Form der natürlichen Pferdeunterbringung, die auch auf kleineren Grundstücken umgesetzt werden kann. Darüber hinaus gibt Femke Ratschläge zur passiven Physiotherapie für Pferde. Dabei fordert man das Pferd heraus, auch in seiner "Freizeit" viele verschiedene Muskeln zu nutzen. Dies ahmt die Lebensweise wilder Pferde nach, wodurch Pferde gesünder und fitter bleiben. Wir haben Femke nach ihren Tipps für natürliche Unterbringung gefragt.

Gastbeitrag

2 Mai '22 8 Min Lesezeit

Femke:"Mein Konzept des Browsing Paddock® entstand aus der Idee heraus, Pferden weniger Stress zu bereiten, insbesondere in Bezug auf Unterbringung und Fütterung. Als Trainerin stellte ich fest, dass ich zwar endlos Unterricht geben kann, aber wenn die Unterbringung und das Futtermanagement nicht stimmen, kommen wir nicht wirklich weiter. Wenn wir die Fütterung und Unterbringung optimieren, sehe ich im Durchschnitt bereits die Hälfte der mentalen und physischen Probleme verschwinden. Gutes Management und die richtige Art der Fütterung sorgen dafür, dass das Pferd sich wohler fühlt."

Was ist ein Browsing Paddock®?

Das von Femke entwickelte Konzept heißt Browsing Paddock®. In diesem Unterbringungssystem gibt es einige feste Elemente. Femke: "Ich spreche immer von den 'Big 5': Bewegung, Bindung, Boden, Browsen und Biodiversität. Bewegung ist einer der wichtigsten Säulen des Systems. Pferde sind von Natur aus Steppentiere. Ihr Ziel ist es, Nahrung, Wasser und Ruheplätze zu finden, und dafür bewegen sie sich den ganzen Tag. In Bewegung zu bleiben, ist auch wichtig für die Sicherheit, da es Raubtiere auf Abstand hält. Und Bewegung ist gut, um gesund zu bleiben. In der Natur laufen Pferde bis zu 10 bis 30 Kilometer pro Tag. Ein Pferdekörper ist darauf ausgelegt, sich kontinuierlich zu bewegen.

Tracks und Umzäunungen

"Wildpferde schaffen ihre eigenen Tracks oder Pfade. Pferde sind Gewohnheitstiere, die immer dieselben Routen verwenden. Ein festes Element in einem Browsing Paddock® sind daher die Tracks. In einem Paddock können Pferde, anders als in der Natur, die Tracks nicht selbst abnutzen, aber wir konstruieren sie mit Hilfe von Umzäunungen. Selbst in einem kleinen Paddock bleiben sie dann in Bewegung. Mein eigenes Paddock ist nur 1.600 Quadratmeter groß! Eine Falle besteht darin, dass Menschen nur große gerade Tracks anlegen. Auch in großen Paddocks können Sie zusätzlich kleine Wege anlegen. Sie können clevere Tricks verwenden, wie das Schließen bestimmter Öffnungen und das Anlegen von Snack- und Futterstellen über den Raum verteilt. So motivieren Sie Pferde, in Bewegung zu bleiben. Gerade Tracks sind praktisch, auch für Traktoren, um Mist abzuholen und Futter zu bringen, und außerdem schön, um ein Sprintrennen zu machen. Im Innenraum können Sie dann schlängelnde Wege anlegen", rät Femke.

Verbindung zwischen Pferden

Das zweite B steht für 'Bindung', erklärt Femke. "Oder Verbindung, Allianzen und familiäre Bindungen. Das ist für mich auch eine sehr wichtige Säule. Denn von Natur aus ist ein Pferd ein Herdentier, das nicht ohne Artgenossen leben und überleben kann. In freier Wildbahn haben Pferde tiefgreifende, lebenslange Freundschaften. In der Pferdehaltung stellen wir Menschen die Gruppen zusammen. Wir bestimmen, wer mit wem steht, und wir mischen verschiedene Rassen und damit auch verschiedene Kulturen und verschiedene Gewohnheiten miteinander. Diese Pferde verstehen sich nicht immer, oft kommunizieren sie auf unterschiedliche Weise. Das verursacht bei vielen unserer domestizierten Pferde viel Stress. Wir sehen das oft nicht, aber es ist da. Eine Herde muss stabil und funktional sein. Wenn das nicht der Fall ist, entsteht Stress."

Wer ist das schwächste Glied?

Wenn Femke einem Pferdebesitzer Ratschläge zu seinem Paddock gibt, betrachtet sie auch immer die Zusammensetzung der Herde. "Ich berücksichtige die Pferde im Allgemeinen und die individuellen Bedürfnisse der Tiere in der spezifischen Gruppe. Jede Form der natürlichen Unterbringung berücksichtigt das schwächste Glied. Das kann zum Beispiel ein älteres Pferd sein, oder ein krankes Pferd oder ein Pferd, das verletzt ist oder sehr unterwürfig ist. Manchmal gebe ich auch den Rat, dass ein Tier nicht in die betreffende Gruppe passt. Dann ist es ratsam, einen anderen Platz für dieses Pferd zu suchen. Das ist sehr schwer für die Menschen, aber letztendlich besser für alle Pferde. Ich gebe viele Eingliederungsratschläge und begleite die Prozesse, wie man am besten ein Pferd einer Gruppe hinzufügen kann. Denn auch das ist für Pferde sehr stressig. Für die ganze Gruppe ist es wichtig, dass eine Kohärenz besteht und so wenig Stress wie möglich."

Verschiedene Böden

Das dritte B in den Big 5 steht für 'Boden', erklärt Femke. "In den Niederlanden ist der Boden eine Herausforderung. In der Natur trifft ein Pferd an einem Tag auf sehr viele verschiedene Untergründe. Auch viele felsige Untergründe und sogar Wasser. Dadurch entwickelt ein Pferd sein Gleichgewicht, es ist gut für den Hufmechanismus, die Rumpfmuskulatur und die Propriozeption. Letzteres ist ein schwieriges Wort für Körperbewusstsein. In den Hufen befinden sich die Sensoren dafür, die 'Propriozeptoren'. Das sind eine Art Tastorgane, ähnlich wie Finger, und sie reizen das Körperbewusstsein des Pferdes. Ein Pferd mit guter Propriozeption weiß, wo sich sein Körper im Raum befindet, wo seine Beine sind und wie es sich auf weniger flachen Oberflächen im Gleichgewicht hält. In den Niederlanden ist fast alles flach, eine flache Wiese, ein flacher Reitplatz, flach auf dem Ausritt... Im Browsing Paddock® versuche ich, die verschiedenen Untergründe nachzubilden. Das ist auch gut für den Hufmechanismus und die Durchblutung der Unterschen

kel und die Hufe nutzen sich auf natürliche Weise ab. Wir verwenden verschiedene Arten von Untergründen. Nicht nur Sand oder Stein, sondern Vielfalt. Zum Beispiel durch das Ausgießen von Kieseln oder Mischgranulat, Holzspänen, Lava oder Pfirsichsteinen. Es ist sehr viel möglich!" erzählt Femke.

Browsen: Grasen in verschiedenen Höhen

"Pferde sind nicht nur Graser, sondern auch Browser. Etwa 80% der Zeit steht ein Pferd in der Natur in Grasposition: Das bedeutet alles, bei dem der Kopf unter das Vorderknie bis auf den Boden kommt. Der Kopf ist dabei gerade nach unten gerichtet, nicht geneigt. Beim Browsen hat ein Pferd seinen Kopf höher, von der Vorderkniehöhe bis zur Ohrhöhe und alles dazwischen, in verschiedenen Positionen. Browsen besteht also hauptsächlich aus Naschen von Bäumen, Sträuchern und anderen Pflanzen. Oder Essen auf unebenem Gelände, mit den Vorderbeinen etwas höher. In der Natur hat ein Pferd allerlei variable Esspositionen, und auch das versuchen wir im Browsing Paddock® gut nachzuahmen. Das kann man tun, indem man essbares Grün hinzufügt und variable Futterhöhen verwendet. Zum Beispiel durch Aufhängen von kleinen Heunetzen mit einer Vielzahl von Kräutern und Pflanzen in verschiedenen Höhen. Wahlfreiheit ist dabei wichtig, also sorgen Sie für viele Netze, auf vielen verschiedenen Höhen. So trainiert Ihr Pferd seine tiefliegenden Haltungsmuskeln. Diese trainieren wir fast gar nicht beim Reiten und Bodenarbeit. Dank dieser Art von 'passiver Physiotherapie' wird die Haltung eines Pferdes stabiler und stärker. Um die Propriozeption noch weiter zu verbessern, können Sie auch Elemente wie Baumstämme oder Autoreifen auf der Strecke hinzufügen. Wenn solche Hindernisse auf dem Weg liegen, muss Ihr Pferd darauf achten, wo es seine Beine hinsetzt. Der größte Teil des Tages ist ein Pferd 'frei'. Durch Hinzufügen solcher Elemente zu Ihrer Unterbringung kann das Pferd physisch und mental fit bleiben, indem es sich selbst in den Stunden trainiert, in denen Sie nicht mit ihm beschäftigt sind."

Biodiversität: Natürliches Hinzufügen zur Paddock

"Das letzte B steht für Biodiversität", sagt Femke. Ein Browsing Paddock® ist auch ein Ort für die Natur, mit einer Vielfalt an Pflanzen, in denen auch andere Tierarten wie Insekten und Amphibien einen Platz finden. Das hat auch wieder einen positiven Effekt auf die Pferde. Sie können Sträucher und Bäume in kleinen Parzellen neben den Tracks anpflanzen. Vielfraß ist nicht erwünscht. Also müssen Sie die Pflanzen schützen. Strom ist dabei Ihr bester Freund. Erst wenn das, was Sie gepflanzt haben, gewachsen ist, können die Pferde anfangen zu naschen und zu browsen. Die Idee ist, dass alles, was innerhalb Ihrer Umzäunung wächst, gefressen wird; alles, was sie nicht fressen, wird durch den Stromdraht verbrannt. Menschen greifen oft zur Heckenschere, aber ich mag es lieber, dass es hindurch wächst. Letztendlich sorgt eine gemischte Pferdehecke hinter dem Stromdraht für einen natürlichen Zaun. Verwenden Sie auf jeden Fall einheimische Arten und achten Sie darauf, was in Ihrer eigenen Umgebung wächst. Bäume und Sträucher, die Sie für eine Pferdehecke verwenden können, sind zum Beispiel Birke, Weide, Esche, Erle, Pappel und Weißdorn. Aber ich probiere auch gerne aus. Sie können auch einmal eine nicht-einheimische Art verwenden. Aber gehen Sie nicht leichtfertig mit Exoten um, ohne Fachwissen. Eine meiner Lieblingspflanzen ist der Kardoon, der einer Artischockenpflanze ähnelt. Pferde mögen die Blätter und verblühten Blumen gerne und die Pflanze ist bei Hummeln beliebt und wächst leicht. Und Hagebutte natürlich, das ist auch eine schöne einfache Pflanze. Die ganze Pflanze kann gegessen werden, und die Hagebutten sind eine schöne Leckerei."

Ist mein Platz groß genug?

"Unabhängig davon, wie viel oder wie wenig Land Sie haben, können Sie daraus einen Browsing Paddock® machen", sagt Femke. "Alles ist besser als im Stall zu stehen. Haben Sie zum Beispiel 800 m2 und zwei Shetlandponys, dann können Sie damit schon viel machen. Es ist auch nicht so teuer, wie die Leute oft denken. Und es muss auch nicht auf einmal sein, Sie können immer wieder Dinge hinzufügen. Fangen Sie einfach Schritt für Schritt an, auch wenn es nur darum geht, die Tür des Stalls offen zu lassen, damit sie selbst wählen können, ob sie drinnen oder draußen stehen wollen. Fangen Sie an zu beobachten, wie sich Ihre Pferde im Raum bewegen, und markieren Sie ein paar Pfade mit Stangen und Band. Von dort aus können Sie es weiterentwickeln, es muss nicht alles auf einmal sein", rät Femke abschließend.

Femke Dölle hat den kleinsten Browsing Paddock® in den Niederlanden auf nur 1.600 m2. Sie ist eine wahre Inspirationsquelle, Pferdeinfluencerin und Querdenkerin auf dem Gebiet der natürlichen Unterbringung. Femke unterstützt Pferdebesitzer bei Training, Futter- und Unterbringungsmanagement ihrer Pferde und ist außerdem Offizielle Botschafterin von Passive Physio®.

www.femkedolle.nl

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